Glück entschlüsselt: Was uns wirklich zufrieden macht

Glücklich leben wollen wir alle. Was macht uns glücklich? Für das Glück gibt es viele verschiedene Begriffe, wie Zufriedenheit, Wohlgefühl, Lebensqualität, Freude und Spaß, Fröhlichkeit, Begeisterung und Flow.
Was uns glücklich macht

Welche Faktoren beeinflussen unser Glück

Was macht uns glücklich und was ist überhaupt Glück? Ist es das Geld, welches uns glücklich macht, oder doch andere Faktoren wie Macht und Anerkennung? In der Vergangenheit beschäftigte sich die Psychologie vorwiegend mit den krankhaften Aspekten der menschlichen Psyche. Ende des vorigen Jahrhunderts wurde aber auch das Glück entdeckt und gewinnt unter der Bezeichnung “Positive Psychologie” immer mehr an Bedeutung.

Onni und der Weltglücksreport

Im Weltglücksreport der Vereinten Nationen von 2021 steht, dass – wenn auch getrübt durch Covid-Belastungen – die Finnen derzeit die Glücklichsten sind, bei denen das Glück „onni“ heißt. Fünf Nordlichter findet man unter den ersten sieben Ländern, obwohl es dort so kalt ist. Warum steht bella Italia nur auf Platz 28? Was untersucht dieser Bericht überhaupt? Jedes Land hat doch seine eigene Vorstellung. Und welches Glück ist gemeint, das in der Liebe oder im Spiel vielleicht? Oder Gesundheit, oder Zufriedenheit im Beruf? 

 

Zu Beginn des 208-Seiten-Dokuments erfährt man, dass es um das subjektiv erlebte Wohlbefinden der Menschen geht in Bezug zu dem Land, in dem sie leben. Das Einkommen spielt dabei eine Rolle, die Stabilität der Verhältnisse, Fragen der Lebenserwartung und Gesundheitsversorgung, des Vertrauens und des Sich-Sicher-Fühlens. Zum Beispiel wurden die Leute gefragt, inwieweit sie glauben, dass jemand ihre Geldbörse zurückbringt, wenn sie sie verlieren. 

 

Schön und gut, aber um zu verstehen, was Glück ist und wie man da hingelangt, bedarf es noch anderer Informationen. 

Wohlfühlglück, Werteglück und Flow

Eine Frage dazu: Wer würde sich an eine Maschine anschließen lassen, die garantiert ein permanentes Glücksgefühl produziert? Man muss nichts tun außer lebenslang an dieser Maschine zu hängen. Ist doch super, oder doch nicht? Dieses klassische Gedankenspiel des Philosophen Robert Nozick macht deutlich, dass angenehme Gefühle und Schmerzfreiheit zwar ein Glücksfaktor sind, aber nicht der Weisheit letzter Schluss. 

 

Wichtiger noch als das hedonistische Wohlfühlglück der Emotionen ist nämlich der hier fehlende kognitive Part: Das Glück beim Streben nach persönlichen Werten und Zielen, das eine Lebenszufriedenheit erzeugt. Man nennt es Werteglück oder – in der aristotelischen Tradition – eudaimonisches, wörtlich: gutgeistiges Glück. Damit ist ursprünglich eine gelungene und ausgeglichene Lebensführung auf der Basis anerkannter ethischer Prinzipien gemeint. Der Spaßfaktor tritt in den Hintergrund, gehört aber dazu. 

 

Ein etwas anderer Begriff für das Glücksgefühl ist der „Flow“. Mit diesem Begriff, der in psychologischen Studien gern aufgegriffen wird, bezeichnet der Forscher Mihaly Csikszentmihalyi Zustände „optimaler Erfahrung“, in denen man völlig absorbiert und dabei hochproduktiv ist. Dann ist man inspiriert und das Zeitempfinden ändert sich. Seine vielen Befragungen und Studien ergaben, dass dieser Zustand immer einen Aspekt des Entdeckens hat. Csikszentmihalyi beschreibt ein sich selbst erhaltendes Kraftfeld, das entsteht, wenn sich Motivation und Erfolgserlebnis gegenseitig nach vorn treiben.

 

In diesem Flow, ergänzt Forscher und Autor Dawson Church, verändert sich das Gehirn und bildet neue synaptische und neuronale Verbindungen, neue Straßen für unser Bewusstsein. Es lernt. Neuroplastizität nennt man diese Fähigkeit des Gehirns, sich zu regenerieren und zu entwickeln. Während unser Körper irgendwann aufhört zu wachsen, bleibt das Gehirn flexibel. Das weiß man aus der „Neuroreha“: Wenn etwa ein erblindeter Mensch zum Lesen vom Sehen aufs Tasten umschalten muss, richten sich Nervenverbindungen und ganze Hirnareale neu aus.  

Positive Psychologie

Der Erforschung des Glücks widmet sich seit 1998 mit übergreifendem Erfolg ein gerade erst etabliertes empirisches Feld: die Positive Psychologie. Ihre Entstehung lässt sich deshalb so genau datieren, weil die Amerikanische Psychologen-Vereinigung (APA) in jenem Jahr Professor Martin Seligman (nomen est omen) zum Präsidenten gewählt hat, der zusammen mit Kolleginnen und Kollegen frischen Wind in sein Fach brachte. In seiner Antrittsrede machte er gleich zu Beginn klar: „Es ist meine Überzeugung, dass sich die Psychologie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu weit von ihren ursprünglichen Wurzeln wegbewegt hat, die darin bestanden, das Leben aller Menschen erfüllender und produktiver zu machen, und sich zu sehr zum wichtigen, aber nicht allwichtigen Gebiet hinbewegt hat, mentale Krankheiten zu heilen.“

 

Nicht nur auf Probleme reagieren, heißt also die Devise, sondern vielmehr den Idealzustand erkunden, den man sich individuell und gesellschaftlich wünscht, denn glückliche Menschen sind sozialer, lernfähiger, kreativer, gelassener, gesünder. Positive Psychologie ist – wohlgemerkt – etwas grundsätzlich anderes als „positives Denken“ oder eine Don’t-Worry-Be-Happy-Philosophie, denn die negativen Aspekte, das Un-Glück, werden nicht ausgeblendet oder wegsuggeriert. 

Was wir über unser Glück glauben

Für das Mentaltraining ist besonders relevant, dass unsere Glücksvorstellungen meist mit Glaubenssätzen verknüpft sind: Ich werde glücklich sein, wenn … Ich kann nicht glücklich sein, solange … Dabei überschätzen wir im Allgemeinen die Wirkung und die Dauer der Wirkung dessen, was wir gemäß unseren Vorstellungen wünschen und was wir fürchten. Unsere Vorhersagen sind üblicherweise einfach schlecht und sie versetzen uns in eine Wartehaltung, die niemandem nützt. 

 

Darauf weist Professorin Sonja Lyubomirsky hin und betont, dass es fürs Glücksempfinden eine Art Sollwert (set point) gibt, der zum Beispiel dafür verantwortlich ist, dass ein bisschen mehr Geld uns glücklich macht, dass aber viel mehr Geld uns nicht entsprechend viel glücklicher macht. Insgesamt gesehen sind die Unterschiede im Glücksempfinden von Personen zur Hälfte auf die Gene zurückzuführen, zu 40 % auf das Handeln und Denken und nur zu 10 % auf äußere Umstände wie Besitz, Stellung oder Gesundheit.

 

Das bedeutet, dass es in der ganzen Glücksfrage hauptsächlich darauf ankommt, wie wir auf Situationen und Gegebenheiten reagieren, und nicht auf die Gegebenheiten. Das Innere ist entscheidend, nicht das Äußere. Dieser Gedanke beschönigt keine Krankheiten und verharmlost keine Unterdrückung, er sagt nur, was der Ursprung von Glücksempfinden ist.

IKIGAI und langes Leben

Ganz im Süden Japans liegt die Inselgruppe Okinawa, die Region mit den meisten Hundertjährigen weltweit. Fragt man sie nach dem Glück und dem Weg dahin, wird man wohl ein starkes Gemeinschaftsgefühl genannt bekommen, Methoden zur Stressbewältigung und die Vorzüge einiger lokaler Diäten. Wahrscheinlich wird auch das Wort „Ikigai“  fallen, was so viel wie „Antrieb“ heißt und gespeist ist aus dem, was man liebt, dem, was man gut kann, dem, was die Welt braucht, und dem, womit man Geld verdienen kann. Ikigai ist der Grund, aus dem man morgens aufsteht. Ikigai ist der raison d’être.

 

Da ist es kein Wunder, dass die japanische Sprache kein Wort für „Ruhestand“ kennt. Warum Japan im Weltglücksreport nur auf Platz 56 steht, bleibt hingegen ein Rätsel. 

Literaturquellen

Weblink

Happiness-Report – Abgerufen am 10.04.2021