Handlungsschleifen durchbrechen: Innovative Ansätze zur Gewohnheitsänderung

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir lieben und brauchen unsere Rituale und Abläufe, denn sie geben uns Sicherheit, Entlastung und Sinn. Aber was tun, wenn Gewohnheiten uns blockieren? Wie können wir Gewohnheiten ändern?
Gewohnheiten ändern - Gar nicht so einfach

Gewohnheiten ändern ist nicht so einfach?

Im Mentaltraining fragen wir uns daher: Wie können wir unsere blockierenden Gewohnheiten ändern und förderliche optimieren? Das habe ich schon versucht, mögen manche Menschen frustriert einwerfen, aber meine Willenskraft reicht einfach nicht aus, um schlechte Angewohnheiten abzulegen und gute aufzubauen. Es funktioniert bei mir nicht! – Nun, für die, die solche Sorgen plagen, gibt es eine gute Nachricht: Willenskraft ist nicht unbedingt der Punkt.

Handlungsschleifen und auslösende Signale

Gewohnheiten sind Handlungsschleifen (loops), erklärt Bestsellerautor Charles Duhigg, bei denen ein bestimmtes Signal (cue) ein Verlangen auslöst, das durch eine Routine befriedigt wird (reward). Deshalb gibt es kaum noch rauchende Menschen in Filmen, denn manche Zuschauer bekommen dabei genau solch ein auslösendes Signal.

 

Duhiggs goldene Regel beim Verändern von Gewohnheiten ist, die Routine auszutauschen anstatt am Signal oder an der Befriedigung zu schrauben. Er nennt als Beispiel die Anonymen Alkoholiker, die beim Verlangen nach Erleichterung das Alkoholtrinken durch die Routine von Gruppenerfahrungen und Gesprächen ersetzen und letztlich die gleiche Belohnung spüren wie beim Trinken. Um eine solche Ersetzung zu etablieren, muss man lernen, die tatsächliche Befriedigung wahrzunehmen, denn im Inneren weiß man ja, dass in Wirklichkeit der Alkohol die Ersatzbefriedigung ist.

 

In diesem Modell wird die Schleife der Gewohnheiten quasi neu programmiert, um negative Effekte zu überwinden. Andere Ansätze betrachten über den Schleifenmechanismus hinaus die übergeordnete Situation.

Umsetzungsabsichten und Wenn-dann-Pläne

Professor Peter Gollwitzer, der in New York und in Konstanz lehrt, kennt sich mit Fragen der Handlungskontrolle gut aus. Gollwitzer akzeptiert prinzipiell den Faktor Willenskraft, betont aber, dass man mit Umsetzungsabsichten und Wenn-Dann-Plänen auf ergänzende Weise Alternativen und neue Inhalte schaffen kann. Die Idee dabei ist eine geistige Gegenüberstellung der Wunschfantasie der Zukunft mit den Hindernissen der Gegenwart. Auf diese Weise antizipiert man die Zukunft, man verbindet sich mit ihr in einer Erwartungshaltung, die das Handeln positiv beeinflusst.

 

Die Zukunft ist ein Teil des Kontexts unserer Gewohnheiten und dieser Kontext ist von entscheidender Bedeutung. Es geht nämlich gar nicht so sehr um uns und unseren Willen, sondern vielmehr darum, dass wir Teil einer Situation sind, und die wollen wir ändern. Nicht uns. Ist das nicht entlastend?

Handlungsauslöser, um Gewohnheit zu verändern

Wir können zum Beispiel Handlungsauslöser in unsere Situationen einbauen und dadurch Gewohnheiten verändern. Ein schönes und übertragbares Beispiel sind die roten Westen der Becky Richards. Die hatte nämlich beobachtet, dass die Schwestern im Kaiser South San Francisco Medical Center bei der Verabreichung von Medizin ständig gestört wurden und deshalb Fehler machten – eine tödliche Gefahr! Richards veränderte lediglich ein kleines Element dieser Routine-Situationen: Während der Verabreichung mussten die Schwestern rote auffällige Westen tragen, auf denen die Information stand, dass sie gerade Medizin ausgaben. Nach vier Wochen Arbeit war die Fehlerrate um fast 50 % gesunken.

 

Sich Ziele zu stecken und den Willen darauf auszurichten, sie zu erreichen, hält auch James Clear in seinem Bestseller „Die 1%-Methode“ nicht für das Non-Plus-Ultra. Er schlägt vor, sich lieber mit Systemen auseinanderzusetzen – also mit dem Kontext. Deshalb unterscheidet er zwischen resultatsorientierten und identitätsorientierten Gewohnheiten. Bei den einen geht es um das Erreichen eines äußeren Ziels, bei den anderen darum, wer wir sein beziehungsweise werden wollen. Will ich mir das Rauchen abgewöhnen oder will ich Nichtraucher sein? Das ist ein großer Unterschied, auch wenn man ihn erst einmal kaum bemerkt.

 

Mit minimalen Veränderungen (atomic habits) des Systems, so Clear, kann man langfristig eine Schwelle erreichen, bei der das System insgesamt transformiert wird und kippt. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Gewohnheiten ändern - der Schlüssel ist der Kontext

Oft reicht es bereits aus, sich den Kontext bewusstzumachen, um Gewohnheiten zu ändern. Da ist der Mann mit dem chronischen Übergewicht, der sich statt guter Vorsätze fürs neue Jahr eine Waage kauft und sich jeden einzelnen Tag der Woche wiegt. Plötzlich sieht er den Zusammenhang zwischen dem großen Eisbecher und der Zahl zwischen seinen Füßen am nächsten Tag. Mit der Zeit merkt er, dass er sein leckeres Essiggemüse ohne Weiteres essen darf, und er kann körperliche Aktivitäten schon bald in Gramm umrechnen. Innerhalb eines Jahres verliert er aufgrund des neuen Wissens zwanzig Kilo und hält fortan sein Gewicht. 

 

Die Umgebung, der Kontext, das sind auch die Wohlfühlbedingungen. Wenn alle meine Freunde dick sind, dann passiert auch mir das eher, selbst wenn ich sie nicht oft sehe. Das ist der Kontext und der ist statistisch gesehen ausschlaggebend.

 

Unsere Umgebung beeinflusst uns und wir beeinflussen unsere Umgebung, betont daher Ramón Nogueras in einem TEDx-Vortrag mit dem Titel „Können sich Menschen ändern?“ Der Psychologe und Universitätsdozent berät in seiner Praxis in Barcelona Menschen, die ihre Gewohnheiten ändern wollen. Nogueras nennt zwei Beispiele von Drogengewohnheiten: US-Soldaten, die aus dem Vietnamkrieg heimkehrten und entgegen allen Befürchtungen ihren beträchtlichen Konsum von allein wieder aufgaben, und das Rattenpark-Experiment von 1977. Hier hatten Forscher eine Gruppe von Ratten in ein Rattengefängnis gesteckt und eine zweite in ein Rattenparadies für ein rattengerechten Lebens. Beiden Gruppen standen sowohl normales Wasser als auch gesüßtes Drogenwasser zur freien Verfügung und es kam heraus, dass sich die Paradiesratten deutlich weniger zudröhnten als die anderen.

Literaturquellen

Weblink

NOGUERAS, R. [2018]: ¿Pueden cambiar las personas? TEDx Madrid. – Abgerufen am 30.03.2021​